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Bahman Nirumand auf der Antikriegskundgebung

in München, Marienplatz, am 18.03.2006

Meine Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

es riecht wieder einmal nach Krieg. Dies sage ich nicht, weil ich den Teufel an die Wand malen will. Ich sage dies aus Erfahrung, aus Erfahrungen der letzten Jahre. Wir können uns alle daran erinnern, an den Afghanistan-Krieg und den Irak-Krieg. Gab es nicht im Vorfeld dieser beiden Kriege eine ähnliche Atmosphäre, wie die, die wir seit Monaten spüren? Gab es nicht auch zu jenen Zeiten eine psychologische Kriegsführung, eine Dämonisierung des Islam, die  jetzt beim so genannten Karikaturenstreit wiederholt wurde? Erinnern Sie sich an die Drohkulissen und an die Lügen, die der Weltöffentlichkeit als Fakten präsentiert wurden, um Angst zu schüren und den Krieg zu legitimieren?

Wir hatten beim Afghanistan-Krieg keinen Zweifel, dass es sich bei den Taliban um Verbrecher handelte, das war bei Saddam Hussein nicht anders und wir haben ebenso wenig Zweifel daran, dass das herrschende Regime im Iran, dass Ahmadinedschad und seine Regierung, kein Verbrechen scheuen, um sich an der Macht zu halten und das iranische Volk zu knechten und zu unterdrücken. Und wir sind uns mit der überwiegenden Mehrheit des iranischen Volkes darin einig, dass dieses Regime lieber heute als morgen verschwinden soll. Aber wir sind ebenso dagegen, dass das Völkerrecht und internationale Rechte und Vereinbarungen gebrochen werden, dass zehntausende und hunderttausende Zivilisten getötet werden, dass ganze Länder in Ruinen verwandelt werden, dass diese Länder Jahre lang von fremden Armeen besetzt werden. Und wir sind dagegen, dass Menschenrechte eklatant verletzt werden, dass Menschen in Gefängnissen gefoltert und auf den Straßen oder aus ihren Häusern gekidnappt werden. 

Und wir nehmen uns das Recht zu fragen, wer Staaten wie USA das Recht gibt, über das Schicksal anderer Völker zu bestimmen und die Neuordnung ganzer Regionen zu planen und mit Gewalt durchzusetzen. Wir nehmen uns auch das Recht, nach den Gründen dieser Kriegsaktionen zu fragen. Trifft es wirklich zu, dass es hier um die Durchsetzung der Demokratie und Menschenrechte geht?

Wenn es tatsächlich um Demokratie und Menschenrechte gehen würde, müssten die Herren im Weißen Haus sich spätestens nachdem, was sie in Afghanistan und Irak angerichtet haben, fragen, ob der Krieg der richtige Weg sei, um demokratische Verhältnisse durchzusetzen und ob Demokratie und Menschenrechte sich einbomben lassen. Und sie müssten sich fragen, ob sie trotz Abu Ghobeib, Guantanamo und anderer Folterlager, die Menschen in der Region davon überzeugen können, dass die Aggressoren nichts anderes wollen als Demokratie.

Nein, liebe Freundinnen und Freunde, bei allem, was geschehen ist, ist die Behauptung unglaubwürdig. Es geht nicht um Demokratie, sondern um handfeste ökonomische, militärstrategische und politische Interessen. Der Nahe und Mittlere Osten gehören aus vielerlei Hinsicht zu den wichtigsten Regionen unserer Erde und sie müssen, meint man offenbar in Washington, unter Kontrolle gebracht werden. 

Das ganze begann mit dem schrecklichen Ereignis des 11. September, dem ungeheuren Verbrechen, bei dem Terroristen den möglichen Tod von mehr als zehntausend unschuldiger Zivilisten in Kauf nahmen. Das Verbrechen war entsetzlich und mit keinem Vorwand und nichts zu entschuldigen.

Nicht zu entschuldigen ist aber auch, dass man sogleich die gesamte islamische Welt auf die Anklagebank setzte. Warum?

Die Antwort lieferten Politiker und sogenannte Nahost-Experten und Islamkenner, die erstaunlicherweise, man weiß nicht woher, plötzlich zuhauf in den Medien auftauchten: Jenseits der Grenzen der zivilisierten Welt herrsche Finsternis, suggerierten sie. Man sprach von dem Kampf der Kulturen, dem Kampf des Bösen gegen das Gute. Hier die Zivilisation, dort die Barbarei, hier die Freiheit, dort die Knechtschaft, hier der Fortschritt, dort die Stagnation. Schon am ersten Tag sprach der US-Präsident Goerge W. Bush von einem Kreuzzug gegen die Barbarei. Er faßte die Bombardierung mehrerer Länder ins Auge.

Der Terroranschlag veranlaßte auch den italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi vierzehn Tage nach der Katastrophe, noch einmal unverblümt das auszusprechen, was in vielen Köpfen schwirrte: „Wir müssen uns unserer Vorherrschaft und der Überlegenheit unserer westlichen Zivilisation bewußt sein“, sagte er bei seinem offiziellen Besuch in Berlin. Die westliche Zivilisation sei der des Islam überlegen, die Welt müsse verwestlicht werden. Wörtlich sagte er: „Der Westen wird weiterhin Völker erobern, so wie es ihm gelungen ist, die kommunistische Welt und einen Teil der islamischen Welt zu erobern.... Die westliche Gesellschaft werte die Freiheitsliebe, die Freiheit der Völker und des Einzelnen, die sicherlich nicht zum Erbgut anderer Zivilisationen wie der islamischen gehören. Diese Zivilisationen sind zu Taten fähig, die mich erschaudern lassen.“

Der Präsident hat die Worte nicht erfinden müssen. Seine Vorfahren in Italien und Deutschland waren vor nicht all zu langer Zeit derselben Idee von einer erhabenen Rasse gefolgt und hatten die ganze Welt mit ihrer Zivilisation beglückt. Diese Arroganz ist ekelhaft und widerlich. Wer will es leugnen, daß der Westen Wunderbares hervorgebracht hat, in den Wissenschaften, den Künsten, der Literatur, der Technik. Demokratie und Menschenrechte sind eine Errungenschaft des Westens. Aber gerade diese Errungenschaften werden oft aufgegeben, sobald man die Grenzen des Abendlands verläßt. Lassen wir die Zeit des Kolonialismus beiseite, werfen wir nur einen Blick auf das vergangene Jahrhundert. Ich bin kein Glaubensfanatiker und weiß wohl, welche Verbrechen im Namen des Islam begangen wurden und werden. Allein in meinem Land Iran wurden Zehntausende im Namen des Islam hingerichtet.

Aber es waren nicht die Muslime, es war die zivilisierte Welt, die sechs Millionen Juden vergast und verbrannt, Millionen Vietnamesen mit Napalm verstümmelt und verseucht hat. Es war die zivilisierte Welt, die in Chile geputscht und Zehntausende in den Tod geschickt, in Algerien Massenmorde durchgeführt und in Südafrika das System der Apartheid den Einheimischen aufgezwungen hat. Es war die zivilisierte Welt, die in nahezu sämtlichen Entwicklungsländern Diktaturen errichtet und sie mit Waffen versorgt hat. Die Flüchtlingslager Sabra und Shatila sind nicht das Werk der Muslime. Es ist doch bekannt, daß Saddam Hossein, die Taliban und ähnliche Verbrecher Zöglinge des Westens waren. Selbst der Terrorist Bin Laden war ein Schützling der CIA. Waren es Muslime, die die Natur zerstört, die Umwelt verseucht haben? Zeugen diese Taten von Humanität, von geistiger, moralischer Erhabenheit, von Zivilität? Wenn man bedenkt, daß in Afrika Tag für Tag mehr Menschen an Aids sterben als bei dem Anschlag in New York und Washington, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Kinder und Erwachsene Armut, Hunger und Seuchenkrankheiten zum Opfer fallen, wenn man weiß, daß unzählige Menschen in den Entwicklungsländern ihre gesunden Organe gegen ein Handgeld an reiche Europäer und Amerikaner verkaufen, um ihr Dasein zu fristen, dann sollte erlaubt sein, die Begriffe Zivilisation und Barbarei noch einmal anhand der Tatsachen unter die Lupe zu nehmen.

Der Anschlag gegen das World Trade Center und das Pentagon, dieses apokalyptische Ereignis, hat ein Beben ausgelöst, dessen Erschütterungen überall auf der Welt die Menschen aufgerüttelt haben. Aus ihren verstörten, entsetzten Gesichtern war eine Frage zu lesen: In welcher Welt leben wir denn eigentlich? Ich meine, nicht in einer geteilten, sondern zumindest ökonomisch betrachtet, in einer globalisierten Welt. Für die Konzerne, Banken und Börsenmärkte gibt es längst keine Grenzen und keine Regionen, die aus ihrem Wirkungsbereich ausgeschlossen sind. Somit ist jede Aufteilung der Welt in Zivilisierte und Barbaren, Christen, Juden, Muslime anachronistisch. Es gibt heute außerhalb der westlichen Hemisphäre unzählige Menschen, deren äußere Lebensweise sich von denen eines Westeuropäers oder Nordamerikaners durch nichts unterscheidet. Das ist kein Grund zum Stolz, das ist ein Faktum.

Doch es gibt innerhalb dieser vereinheitlichten Welt Unterschiede, von denen ich soeben einige aufgezählt habe. Was uns trennt, sind also nicht Ideologien, Religionen, Rassen, uns trennen die Fakten, Fakten, die demütigend, erniedrigend, entwürdigend und unzivilisiert sind. Sie machen wütend, schaffen Haß- und Rachegefühle. Sie, und nicht etwa ein vermeintlicher Kampf der Kulturen, schaffen tiefe Wunden, die bei manchen das Faß zum Überlaufen bringen. Man kann den Terrorismus nicht mit Terror und Gewalt beseitigen, auch nicht mit Arroganz und Überheblichkeit. Sind 20 Millionen Flüchtlinge, die infolge der Globalisierung an der Grenze zwischen Leben und Tod ausharren, nicht genug? Reicht es immer noch nicht aus, daß weite Regionen in Afrika und Asien von Hunger, Krankheiten und Elend heimgesucht sind? Um die Wurzeln des Terrorismus auszurotten, muß man die Fakten ändern. Dabei darf man nicht jene Werte über Bord werfen, auf die Europa mit Recht stolz ist, Werte, die heute universal sind. Wenn wir sagen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, dann gilt dieser Satz nicht nur für die Europäer und Amerikaner, sondern auch für Asiaten und Afrikaner. Und wenn wir sagen, dass Folter und Menschenraub einen eklatanten Verstoß gegen Menschenrechte darstellen, dann gilt dieser Grundsatz nicht nur in den USA, sondern auch Kuba oder im Irak und in Afghanistan. Man kann nicht mit zweierlei Maß messen und erwarten, dass die Benachteiligten das Unrecht unwidersprochen hinnehmen. Man kann nicht für Israel das Recht auf Existenz und Sicherheit fordern und gleichzeitig Augen und Ohren schließen, wenn von der Existenz und Sicherheit Palästinas die Rede ist, wenn die israelische Siedlungspolitik das besetzte Land der Palästinenser so durchlöchert, dass ein palästinensischer Staat unmöglich gemacht wird.

Und man kann nicht auf der einen Seite mit Indien, das nicht einmal den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat, einen Vertrag über Lieferung von Atomtechnologie und atomaren Brennstoff abschließen und dem Land erlauben, den Teil seines Atomprogramms, der für Nuklearwaffen bestimmt ist, geheim zu halten, und einem Land wie Israel, dass im Besitz von mehr als 200 Atombomben ist und sein Atomarsenal mit amerikanischer und europäischer Unterstützung immer weiter aufstockt, unwidersprochen die Aufrüstung gewähren lassen, und auf der anderen Seite Iran das Recht auf die Herstellung des Brennstoffs, das jedem Mitglied des Atomsperrvertrags zusteht, verweigern. Natürlich besteht der Verdacht, das Iran den Bau der Bombe plant, natürlich würde eine Atommacht Iran die ohnehin unsichere Region noch zusätzlich gefährden. Aber kann man auf den bloßen Verdacht hin, ein international anerkanntes Recht außer Kraft setzen? Wenn ja, warum tut man das nicht anderen Staaten gegenüber. Ist eine Atommacht Pakistan weniger gefährlich als eine Atommacht Iran? Genießen Regierungen, die als Lakaie der USA dienen Rechte, die anderen Staaten verweigert werden? Was geschieht, wenn in naher Zukunft in Pakistan Islamisten an die Macht kommen?

Ich lehne nicht nur Atombomben, sondern auch die friedliche Nutzung der Atomenergie für Iran ab, denn erstens sind Atomreaktoren viel zu kostspielig und zweites im Erdbebengebiet Iran viel zu gefährlich. Wir haben reichlich Sonne, Wasser und Wind und könnte aus diesen Gaben der Natur unser Energiebedarf decken, wenn in zwanzig, dreißig Jahren die Öl- und Gasquellen erschöpft sein sollten.

Aber, liebe Freundinnen und Freunde, es ist ein Irrtum zu glauben, es gehe bei dem Konflikt mit Iran darum, die Nukleare Gefahr in der Region zu verbannen. Denn wenn es tatsächlich darum ginge, ist nicht nachvollziehbar, warum man den Vorschlag der Reformer im Iran nicht aufnimmt und die ganze Region zur atomfreien Zone erklärt? Man könnte auch zumindest den letzten russischen Vorschlag aufnehmen, der Iran erlaubt bei langfristiger Aussetzung der industriellen Urananreicherung auf niedriger Ebene Uran für die Forschung anzureichern und den atomaren Brennstoff in Russland zu produzieren. Man könnte auch fragen, warum Washington nicht bereit ist, wie mit Nordkorea, auch mit Teheran direkt zu verhandeln.

Die Antwort ist, weil die USA ganz andere Ziele haben als sie vorgeben. Schaut man sich die gesamte Landkarte des Nahen und Mittleren Ostens an, dann sind die USA überall militärisch präsent, mit Ausnahme von Syrien und Iran. Diese Lücken sollen geschlossen werden. Deshalb lässt sich die Bush-Regierung auf keine Kompromisse ein, deshalb fordert Washington nun, dass der UN-Sicherheitsrat immer härtere Sanktionen gegen Iran beschließt, Sanktionen, an deren Ende möglicherweise eine militärische Intervention mit verheerenden Folgen für die gesamte Region, aber auch für Europa und USA, steht. Es ist doch die Wiederholung von jenem Szenario, das wir beim Irak-Krieg erlebt haben.

Doch mit Sanktionen gar mit einer militärischen Intervention erreicht man genau das Gegenteil dessen, was man als Ziel vorgibt. Statt die Demokratie zu fördern und das herrschende Regime zu isolieren, wird man die beachtlich weit entwickelte iranische Zivilgesellschaft spalten und um Jahre zurückwerfen und man wird radikalen und Fundamentalisten vom Schlage Ahmadinedschads und anderen terroristischen Gruppen den besten Dienst erweisen, weil sie noch mehr Hass und Rache schüren und dadurch ihre Basis stabilisieren und erweitern können.   

Die EU-Staaten sind den Amerikanern auf den Leim gegangen, indem sie Maximalforderungen an Iran gestellt haben, Forderungen, die das Regime in Teheran ohne Machtverlust nicht hätte erfüllen können. So haben sie die Chance, der Eskalationsstrategie der USA eine Friedenspolitik entgegen zu setzen, verpasst. Seit September vergangenen Jahres sitzen sie mit den Amerikanern im gleichen Boot. Washington will dieses Mal keinen Alleingang wagen, die NATO soll die Drecksarbeit richten. Genau das, liebe Freundinnen und Freunde muss verhindert werden.

Wir müssen auf die Regierungen in Europa Druck ausüben, damit sie möglichen Kriegsplänen eine eindeutige Absage erteilen und wieder zu einer Politik des Friedens zurückkehren. Eine kluge Politik, die Frieden will und gleichzeitig im Iran Demokratie anstrebt, unternimmt keine Schritte, die das Volk isolieren könnten. Nicht das iranische Volk, sondern das Regime muss isoliert werden. Hätte man den Druck, den man in den letzten drei Jahren wegen des Atomkonflikts auf Iran ausübte, gegen Missachtung der Menschenrechte, gegen Unterdrückung der Frauen, gegen die Rigorose Zensur der Presse und der freien Meinungsäußerung, gegen Unterdrückung der Werktätigen und ethnischen und religiösen Minderheiten und schließlich gegen Misshandlung der Regimekritiker in den Gefängnissen eingesetzt, wäre die iranische Zivilgesellschaft wesentlich weiter als heute und die Militarisierung des iranischen Staatsapparats durch Ahmadinedschad und seine Kampfgefährten nicht möglich gewesen.

Liebe Freundinnen und Freunde, gestern wurde in Washington der Bericht der nationalen Sicherheitsstrategie veröffentlicht und darin die folgenschwere Doktrin des Präventivkriegs, die 2002 veröffentlicht wurde und den Irak-Krieg legitimieren sollte, veröffentlicht. Dazu sagte Präsident Bush: „Wenn nötig, schließen wir die Anwendung von Gewalt, noch ehe Angriffe (auf die USA) erfolgen, nicht aus – selbst wenn Ungewissheit über den Zeitpunkt und den Ort des feindlichen Angriffs bleibt“.

Dagegen sollte die Friedensbewegung in der ganzen Welt ihre Stimme erheben und immer lauter rufen: Kein neuer Krieg in der Golfregion, kein Krieg gegen Iran.“   

 

 
 
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